Hygieneregeln versetzen Kitas in den Ausnahmezustand
Vom Regelbetrieb weit entfernt!
Derzeitige Lösungen gehen zu Lasten der Kinder, der Familien und des Personals
Die Diakonie Sachsen begrüßt die Wiederöffnung der Kindertageseinrichtungen, weil Kinder einen wichtigen Teil ihrer Lebenswirklichkeit, Bildungserfahrungen und -förderung zumindest ein Stück weit zurückerhalten und Eltern entlastet werden. Doch von einer Rückkehr zur Normalität kann keine Rede sein. Die Beachtung einer Vielzahl Corona bedingter Regeln erzwingt die Umgestaltung der gesamten Kita-Organisation im Hinblick auf den Gesundheitsschutz. Das Wohlergehen der Kinder rückt dabei eher in den Hintergrund.
Dietrich Bauer, Chef der Diakonie Sachsen sagt: „Unter den Bedingungen eines derart eingeschränkten Regelbetriebs ist die Bildung, Betreuung und Erziehung der Kinder in der gewohnten Qualität nicht möglich. Es sind viele Kompromisse nötig und Eltern müssen mit großen Einschränkungen bei den Betreuungszeiten und mit längeren Wartezeiten beim Bringen und Holen der Kinder rechnen. Die Politik hat versäumt, den Eltern zu kommunizieren, dass der Kita-Alltag unter den Bedingungen der Allgemeinverfügung ein ganz anderer sein wird. Was wir brauchen sind langfristige Lösungen, die nicht zu Lasten von Kindern, Familien und Fachpersonal gehen!“
Inga Blickwede, zuständige Referentin bei der Diakonie Sachsen, ist überzeugt: „Die Wiedereröffnung unter den gesetzten Rahmenbedingungen stellt die Einrichtungen und Träger vor größte Herausforderungen und es wird trotz aller Bemühungen und kreativen Ideen keiner Einrichtung möglich sein, in einzelnen Punkten nicht doch von der Allgemeinverfügung abzuweichen. Sei es, weil es nicht ausreichend Räumlichkeiten gibt, sei es, weil nicht ausreichend Personal zur Verfügung steht. Ein Betrieb unter den geforderten Bedingungen kann mit Blick auf die psychische Gesundheit der Kinder und Fachkräfte auch nur eine kurz- bis mittelfristige Lösung sein, weil er eine immense Überforderung ist.“
Als Beispiele nennt sie die Gestaltung der Eingewöhnung der Kinder: „Hier meinen wir nicht nur die Eingewöhnung im Krippenbereich, auch Kindergartenkinder die nach über 8 Wochen wieder in die Kita kommen, werden Zeit zum Wiedereingewöhnen benötigen. Eltern sind aber nur bedingt zugelassen. Ein „kiss and go“-Bereich statt eine sanfte Eingewöhnung kann für Kinder, die sich wieder neu eingewöhnen müssen und nur schwer trennen können, traumatisch sein.“
Zudem sei die geforderte Organisation der Abhol- und Bringsituation in vielen Einrichtungen weder räumlich noch personell zu bewerkstelligen. „Eltern müssen unter Umständen längere Zeit – bei Wind und Wetter- vor der Kita Schlange stehen. Hier schließt sich die auch neue Situation zur Gestaltung der Randzeiten (Früh- und Spätdienst) an. Durch die generell geforderte Zuordnung der Kinder in eine feste Gruppe ist ohnehin ein deutlich höherer Personalbedarf gegeben. Gruppen dürfen auch zu den Randzeiten nicht mehr durchmischt werden.“
In den letzten Tagen habe es zahlreiche Rückmeldungen von Trägern und Einrichtungen gegeben, die daraufhin weisen, dass die personellen, räumlichen und finanziellen Ressourcen der Träger durch die geforderten Hygieneschutzmaßnahmen extrem überdehnt werden.
Vieles könne auch nicht nachvollzogen werden. Blickwede zitiert aus einem Schreiben: „Wozu sollen wir Infektionswege von 6-17 Uhr nachvollziehbar dokumentieren, wenn der sonstige Alltag der Kinder sich wieder der Normalität annähert, Aktivitäten mit Menschen eines anderen Haushaltes stattfinden können, sich Kinder und Erwachsene in Gottesdiensten, auf Spielplätzen, bei Ausflügen, etc. treffen und danach Zeit miteinander verbringen? Wir können auch nicht in allen Einrichtungen das Außengelände so trennen, dass Kinder nicht in Kontakt miteinander kommen. Wie sollen Kinder verstehen, dass wir sie im Zusammenspiel mit Freunden in der Kita trennen müssen und sie sich dann nachmittags auf dem Spielplatz oder im Park oder zu Hause dennoch treffen?“